An diesem Tag lebt auch der 25-jährige Ulrich Wymann in der Gemeinde, wie bereits zuvor sein Vater und sein Grossvater, nachdem sein Ur-Grossvater von Lützelflüh her nach Sumiswald gekommen war. Die Wymanns waren damit schon in der dritten Generation Sumiswalder, als sie gemäss Verordnung der Regierung in Bern an diesem Tag das Bürgerrecht der Gemeinde erhielten:

"Ein jeder solle da, wo er sich mit den Seinen hintersässlich befinde, ohne weiteres Disputieren geduldet werden. Jeder erhält in der Gemeinde, wo er beim Erlass dieser Ordnung ansässig ist, sein Heimatrecht und soll im Notfall von dieser Gemeinde unterstützt werden. Zieht er aber in eine andere Ortschaft, so soll ihm von seiner Heimatgemeinde ein glaubwürdiges Zeugnis, durch welches sie ihn als ihren Angehörigen, den sie im Notfall zu unterstützen habe, anerkennt, ausgehändigt werden. An dem neuen Wohnort mögen diese Leute dann ohne Beschwerde geduldet werden, sie behalten aber das Heimatrecht der Gemeinde, von welcher sie ein Zeugnis haben."

Damit ist die spezifisch schweizerische Einrichtung, dass jeder Schweizer und jede Schweizerin auch das Bürgerrecht einer Gemeinde - des ”Heimatorts” - besitzt, auf dem Gebiet des Standes Bern eingeführt.

Der Ursprung des heimatortlichen Bürgerrechts steht in direktem Zusammenhang mit dem Armenwesen. Anders als in der Stadt sorgten in den Gemeinden auf dem Land die Dorfgenossen, die gemeinsamen Anteil an Feld und Wald (Allmende) hatten, neben der Kirche für die Besitzlosen und Armen. Dass es dabei keiner besonderen Organisation bedurfte, hing damit zusammen, dass manch ein Bauer im Wärchet auf die Hilfe eines "Tauners" angewiesen war. Tauner waren Kleinbauern, deren landwirtschaftlicher Ertrag nicht ausreichte, eine Familie zu ernähren und die deshalb gezwungen waren, ihren Verdienst durch zusätzliche Nebenarbeiten als Tagelöhner aufzubessern. Also gönnte man dem Tauner ein Stück Pflanzland auf der Allmend und erlaubte ihm auch, im Allmendwald seinen Bedarf an Brennholz zu decken.

Als sich die Situation jedoch infolge von Missernten und durch die Auswirkungen des Dreissigjährigen Krieges drastisch zuspitzte, erliess die Berner Regierung am 20. Januar 1676 eine revidierte "Bettelordnung". Wie in früheren solchen Erlassen wurden die Gemeinden dazu verpflichtet, ihre Armen zu unterstützen, indem man sie an der Nutzung des unverteilten gemeinsamen Besitzes teilhaben liess. Weil allerdings zuvor nicht selten versucht worden war, arme Tauner und Handwerker, deren Vorfahren bereits in der Gemeinde wohnten, loszuwerden und abzuschieben, wurden nun Tausende von Heimatlosen den Gemeinden zugeteilt. Allerdings hielt man sich dabei nicht streng an die früheren Verfügungen, und so wurden fallweise Wohnort oder Geburtsort als unterstützungspflichtig bezeichnet. Auf die zahlreichen Beschwerden von Gemeinden über die erfolgte Zuteilung reagierte die Regierung resolut: Mittels Verordnung vom 29. März 1676 legte sie fest, dass jeder Arme "an dem Ort, wo er sich jetzund befindet", verbleiben und dort geduldet werden solle. Mit der Verordnung vom 14. Oktober 1679 verbot man den Gemeinden schliesslich ausdrücklich, ihre mittellosen Mitbewohner abzuschieben. Endgültig etabliert wurde das Institut des Heimatgemeinde-Bürgerrechts durch die revidierte Bettelordnung von 1690, welche die Gemeinden endgültig dazu anhielt, nicht nur Dorfgenossen, sondern auch "Hintersässige" (d.h. Bewohner ohne Landbesitz) als Burger der Gemeinde zu registrieren.

 

 

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Seite erstellt am 08.03.2004
Seite geändert am 30.08.2015